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Alfred Hitchock mit Vorbereitung zu der berühmten Duschszene aus seinem Film Psycho

Ein Special zum 40. Todestag des „Master Of Suspense“

„Filme zu drehen, das bedeutet für mich zuerst und vor allem, eine Geschichte zu erzählen. Diese Geschichte darf unwahrscheinlich, aber sie darf nie banal sein. Sie sollte dramatisch und menschlich sein. Das Drama ist ein Leben, aus dem man die langweiligen Momente herausgeschnitten hat.“ – Alfred Hitchcock

von Ilija Glavas

Hitchcock’s Stil ist bis heute spürbar

Filmexperten-und Cineasten erkennen Alfred Hitchcock als eine der bedeutendsten Persönlichkeiten in der Geschichte des Kinos an.  Mit seinen Einblicken in die menschliche Psyche hat er die Art und Weise, wie Filme, insbesondere Thriller, gemacht werden, neu definiert.  Auch heute noch können die meisten Kinobesucher mindestens einen Hitchcock-Film identifizieren. Sein visueller Filmstil zwang den Zuschauer dazu, sich auf die Gefühle zu konzentrieren, die er kurz vor einer bevorstehenden Handlung erlebte.  Seine Filmregie bot dem Publikum eine einzigartige Perspektive, von der es nicht genug bekommen konnte. Seine Filme basierten auf intensiven Gefühlen, Irreführung und eisigen Charakteren, die das Publikum auf eine Weise in den Bann zogen, wie es sie noch nie zuvor erlebt hatte.

Anlässlich seines 40. Todestages ehren wir ihn mit einem zweiteiligen-Special. Der zweite Part wird ein Beispiel seines Fortschritts in Filmtechnik. Denn unbewusst hat Alfred Hitchcock die VR Technik eingeleitet.

Am 3. Januar 1980 wurde er von Königin Elisabeth II. zum „Knight Commander des Order of the British Empire“ ernannt.


Hitchcock
9. Mai 1963: Alfred Hitchcock und die amerikanische Schauspielerin Tippi Hedren in Cannes, nach der Premiere von ‚Die Vögel“. Sie spielt die Hauptrolle. © Keystone/Getty Images

Der Mann aus England erobert Hollywood

Der 1899 als Sohn katholischer Eltern geborene Engländer wuchs in einer sehr disziplinierten häuslichen Umgebung auf.  Er erzählte einmal, wie seine Mutter ihn zur Strafe am Ende ihres Bettes stehen ließ, was er in einem Film andeutete. Er besuchte die Universität von London und studierte Ingenieurwesen, entdeckte aber schnell sein Talent für Zeichnen und Design. Hitchcock begann seine Karriere als Bühnenbildner, zunächst in England, bevor er 1939 nach Hollywood zog.

Seinen filmischen Durchbruch, erlangte er mit der Thriller „Der Mieter“ – 1927. Danach folgten seine Filme einem zentralen Thema: die zu Unrecht in Verdacht geratenen, die er als treibende Kraft seiner Werke etablierte.

Bei all seinen Arbeiten hat sich Hitchcock nie die Schreib-Lorbeeren aufs eigene Haupt gesetzt. Seine erste und beliebteste, seiner vielen Mitarbeiter, war seine Frau – Alma Reville. Sie hat wesentlichen Einfluss auf einige seiner Drehbücher als Autorin. Es war ihre Meinung über ihn und seine Arbeit, die er über alle anderen gelten lies, denn sie sagte ihm immer die Wahrheit. Hitchcock legte großen Wert auf die künstlerische Kontrolle über das Werk als Autor.

Cameo als Selbstvermarktung

Sein Gesamtwerk umfasst 53 Spielfilme und gehört – gemessen am Publikumserfolg sowie der Rezeption durch Kritik und Filmwissenschaft – zu den bedeutendsten der Filmgeschichte.

Auch dank seiner gezielten Selbstvermarktung zählt Hitchcock heute zu den bekanntesten Persönlichkeiten der Zeitgeschichte. Man denke nur an seine „Cameo-Auftritte“ in den eigenen Produktionen. In Zusammenhang mit dem Begriff ist vor allem der Regisseur Alfred Hitchcock zu nennen, der erstmals 1927 in seinem Film „Der Mieter“ auf der Leinwand zu sehen ist. Der ursprüngliche Grund für Hitchcocks Auftritte war zweckmäßiger Natur. Da in einigen Szenen seiner ersten Filme Statisten fehlten, mischte er sich mit Teilen der Filmcrew unter die vorhandene Menge.

Aus der Not wurde bald ein Markenzeichen, das er in späteren Jahren als lästige Pflicht empfand. Damit die eigentliche Handlung in Erwartung auf Hitchcocks Auftritt nicht in den Hintergrund geriet, erschien der Regisseur nun möglichst früh auf der Bildfläche.

Filmemacher zwischen Genie und Technik

Seine Arbeit ist dem Autorenfilm zuzurechnen. Viele Fans des klassischen Kinos wissen, dass die Fähigkeiten, die er in seine Arbeit einbrachte, die Art und Weise, wie Filme gemacht wurden, verändert haben. Er leistete Pionierarbeit, indem er Kamerawinkel und Bewegung mit seinem Verständnis von Psychologie kombinierte, um das Publikum in den Film zu versetzen und ihm zu helfen, seine Filme eindringlich zu erleben. Eines seiner bekanntesten Stilmittel dabei, ist die so genannte „POV“ Perspektive. In dieser ersetzt die Kamera die Augen des Protagonisten. Das können Film Fans bis heute in vielen Filmen genießen.

Bei jeder Gelegenheit konnte man ihn dabei ertappen, wie er experimentierte und die Grenzen der Cinematographie ausreizte. Das alles beschreibt nur Ansatzweise die Genialität dieses, vielleicht besten Filmemachers alles Zeiten. Immerhin zählt man etliche Innovationen zu seinen Erfolgen. Hitchcock gilt hinsichtlich seines Stils bis heute als einer der einflussreichsten Filmregisseure.

Als erstes Beispiel sei die Visualisierung von Höhenangst in „Vertigo“ genannt. Er verwendete den Rückwärts-zoom, während er die Kamera zeitgleich auf das Objekt zubewegte. Diese Technik ist nur eine von zahlreichen Neuerungen Hitchcocks. Etliche werden – und wurden, bis heute – von Regie Größen wie David Lynch oder Spielberg in „Der weisse Hai“ ( inspiriert durch „Die Vögel“ ) angewendet. Pedro Almodovar und die Coen Brüder sind ebenfalls große Nutzer seiner technischen Feinheiten und visuellen Kompositionen.

400 Filmtricks allein in „Die Vögel“

Ein weiteres Beispiel: „Die Vögel“ von 1963. Der Film enthält insgesamt c.a 400 Trickeinstellungen, für die das Team um Produktions – Designer Robert F. Boyle die verfügbaren Filmtechniken der 1960er-Jahre ausreizte. Etwa 15 Jahre vor der ersten Anwendung von CGI in der Filmproduktion bestand eine der zentralen Herausforderungen darin, geeignete Methoden für das „Compositing“ auszuwählen.

Das Zusammensetzen von Hintergrund-aufnahmen sowie Bewegungen agierender Schauspieler und fliegender Vögel beschäftigte zahlreiche Spezialisten.

Er etablierte die Begriffe „Suspense“ und „MacGuffin“.  Ein Element, das die Handlung vorantreibt oder sogar einleitet. Obwohl es für die Entwicklung der Figuren und für den Zuschauer inhaltlich völlig bedeutungslos, geradezu austauschbar ist.

MacGuffin ist kein schottischer Lord

Der MacGuffin in „Der unsichtbare Dritte“ sind simple „Regierungsgeheimnisse“, über die der Held oder der Zuschauer während der gesamten Handlung nichts Weiteres erfährt. In „Psycho“ benutzt Hitchcock unterschlagenes Geld, das die Sekretärin zur Flucht treibt und so in „Bates Motel“ führt, um das Publikum anfangs gezielt in die Irre zu führen und für einen Kriminalfall zu interessieren, der mit der eigentlichen Handlung nur am Rande zu tun hat.

Die mysteriösen „39 Stufen“ im gleichnamigen Film, sind eine Geheimorganisation, über die bis kurz vor Ende des Films überhaupt nichts bekannt ist, außer dass sie gefährlich ist. Der bekannteste „MacGuffin“der letzten Jahre ist sicherlich der Kofferinhalt aus Tarantino’s Pulp-Fiction. Hitchcock’s Genre war der Thriller, charakteristisch seine Verbindung von Spannung mit Humor.

Der Suspense – Effekt

Die klassische, auf das Überraschungsmoment aufbauende Form des Kriminalfilms ist der Whodunit. Bis auf wenige Ausnahmen bediente sich Hitchcock jedoch einer anderen Form des Spannungsaufbaus, des sogenannten Suspense: Dem Zuschauer sind ab einem gewissen Zeitpunkt bestimmte Informationen oder Umstände bekannt, von denen die handelnden Personen nichts wissen. Er fiebert in besonderer Weise mit den Helden, er sieht Ereignisse kommen, möchte den Figuren helfen, kann es aber nicht.

In einigen Filmen wird das klassische Suspense dahingehend variiert, dass handelnde Personen in die Rolle des Zuschauers gedrängt werden. Ein Beispiel von vielen: In „Das Fenster zum Hof“ dringt Lisa in die Wohnung des verdächtigen Nachbarn ein, um nach Beweisen für einen möglichen Mord zu suchen. Ihr Partner Jeff beobachtet das Geschehen von der gegenüber liegenden Wohnung aus und sieht dabei den Nachbarn vorzeitig zurückkommen. Er vermutet sie in Lebensgefahr, kann ihr aber nicht helfen. Eines der vielen Elemente in der heutigen Erzähl-weise vieler Filmemacher. Ebenso, wie der Effekt der „Suspense“. Was genau er damit ausdrücken wollte, zeigt sein Film „Psycho“.

Suspense in Psycho als Meilenstein

Für einige markante Szenen baute Hitchcock zudem bewusst eine Suspense-Situation auf, um den Zuschauer mit einem umso gewaltigeren Überraschungseffekt schockieren zu können. Ein berühmtes Beispiel findet sich in Psycho: Zum einen ist Marion Crane mit verschiedenen Merkmalen einer typischen Hauptfigur eines Hitchcock-films ausgestattet, so dass kaum jemand erwartet, dass sie bereits in der ersten Hälfte des Films stirbt.

Zum anderen legt Hitchcock der Duschszene selbst einen „Suspense-Moment“ vor. Norman Bates beobachtet Marion Crane durch ein Loch in der Wand beim Entkleiden. Sie geht unter die Dusche. Der Zuschauer wird nun eben keinen Mord, sondern schlimmstenfalls eine Vergewaltigung durch Norman befürchten. Man lockt den Zuschauer psychisch auf eine falsche Fährte. Der bestialische Mord ist somit völlig überraschend und damit ein Grund für die Berühmtheit der Szene. Der heimliche Höhepunkt der berühmten Szene, ist die Tatsache, dass diese mit 70 – Einstellungen gedreht wurde-um den bekannten Effekt zu erzielen. Ein Meilenstein!

Im Mikrokosmos der Regie-Arbeit

Auch sein Ansatz für die Regie von Schauspielern war einzigartig. Manche ließ er in Ruhe, wie es bei Cary Grant, Jimmy Stewart und vor allem bei Doris Day in „Der Mann, der zu viel wusste“ der Fall war. Doris Day fühlte sich verwirrt und fragte, warum er kein Wort zu ihr gesagt habe, woraufhin Hitchcock ihr sagte, sie habe nichts getan, um ihm einen Kommentar zu entlocken. 

Zu anderen Zeiten führte er seine Stars mit erstaunlichen Ergebnissen in den Regie – Mikrokosmos ein, wie bei Joan Fontaine in „Rebecca“, wo er sie mit seiner „nervigen“ Art piesackte und damit zur Leistung ihrer Karriere führte. Seine Vorliebe für „Blondinen“ ist nicht von der Hand zu weisen. Ebenso die Tatsache, dass er gerne mit den selben Schauspielern arbeitete. Cary Grant ist über eine Periode von 20 Jahren in vier seiner Filme zu sehen.

Die Legende lebt bis heute weiter

Nachahmung ist, wie das Sprichwort sagt, die aufrichtigste Form der Schmeichelei.  Für Hitchcock ist die Liebe Hollywoods zu seiner Arbeit ein Beweis für die Wahrheit dieses Sprichworts.  Jahrzehntelang haben Regisseure ihr Bestes getan, um die Magie dessen, was Hitchcock tat, auf Film zu bannen. Wie schwer es ist, den Meister zu kopieren- oder zu wiederholen, zeigt das gefloppte Remake von „Psycho“.

Nichtsdestotrotz, wagt sich der Online Gigant Netflix an das Remake zu „Rebecca“ – Oscar 1941. Dieses Projekt „Ambitioniert“ zu nennen, wäre eine Untertreibung. Rebecca ist Oscar prämiert. Oder ist das Remake zu „Bei Anruf Mord“ jemandem in Erinnerung geblieben?

Seine Techniken und sein Stil wirkten über die Leinwand hinaus, wo sogar Fernsehsendungen wie „Friends“ die klassische Filmmusik aus der „Psycho – Duschszene“, parodierten.

Er bekam nie einen Oscar für einen seiner Filme. Es wurde ihm 1979 der Award für sein Lebenswerk verliehen. Hitchcock verstarb am 29. April 1980 in Los Angeles.

Hitchcock Special – Teil 2: Die unbewusste Innovation der virtuellen Welt: HIER

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