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Tom Hanks und die deutsche Nachswuchs Schauspielerin Helena Zengel in einem Film von Paul Greengras: NEws Of The World

Seit 10. Februar 2021 auf Netflix

Regie: Paul Greengrass | Kamera: Dariusz Wolski

Musik : James Newton Howard | Drehbuch: Paul Greengrass, Luke Davies


Story: 1870 Texas. Ex-Infanterist Captain Jefferson Kyle Kidd (Tom Hanks) verdient seinen Lebensunterhalt damit, durch Dallas zu ziehen und den versammelten Menschenmassen die Nachrichten des Tages zu erzählen. Doch als er auf das Waisenkind Johanna (Helena Zengel) trifft, das vom Stamm der Kiowa aufgezogen wurde, übernimmt er den Auftrag, sie zu ihrer überlebenden Familie, in die Nähe von San Antonio, zurückzubringen.


©Universal Pictures

Film Kritik:

von Ilija Glavas

„Bild Ästhetik und Schauspiel gleichen erzählerische Mängel aus“

Eine Wortwolke, die den Filmemacher Paul Greengrass, Regisseur der besten Bourne-Streifen, Flug 93 und Captain Phillips, beschreibt, würde sicherlich „intensiv“, „politisch“, „Wackel -Kamera“ und „unmittelbar“ beinhalten.

Was man nicht erwarten würde, ist „imposant“. Aber für News Of The World, der auf dem Roman von Paulette Giles basiert, hat Greengrass seinen bisher stilistisch konventionellsten und ästhetisch schönsten Film gedreht. Einen Western, in dem Tom Hanks, als Ersatzelternteil einen fast stummen Teenager durch zerklüftetes, gefährliches Terrain führt.

Der Film ist weniger eindringlich und fesselnd als sein bestes Werk, aber er ist weitläufiger, perfekt gespielt und hat einen starken finalen Punch, wenn er leise seine emotionale Kraft entfaltet.


Neues aus der Welt bei Netflix
©Universal Pictures

Tom Hanks als moderner Nachrichtensprecher auf einem Pferderücken

Der jüngste Neuzugang in Hanks‘ Captain-Reihe ist Captain Jefferson Kyle Kidd, ein ehemaliger Infanterist, der im Texas des Jahres 1870 (fünf Jahre nach dem Bürgerkrieg) von Stadt zu Stadt zieht und dem begeisterten Publikum die Nachrichten vorliest.

Als eine Art Nachrichtensprecher auf dem Pferderücken, liefert Hank’s Kidd Geschichten, die von einem Meningitis-Ausbruch über die Pazifik-Eisenbahn, die neue Gleise durch „Indianer-Reservate“ baut, bis hin zu Lügengeschichten über Männer, die von den Toten zurückkehren, reichen. Hanks spielt einen Mann, der von Geschichten besessen ist, um sich nicht mit seinen eigenen befassen zu müssen, und er genießt es, aktuelle Themen zu erzählen, in einer Art und Weise, dass man sich wünscht, Kidd würde die Tagesthemen moderieren.

Auf dem Weg zwischen den Städten stößt Kidd auf einen gelynchten Schwarzen, der an einem Baum hängt, was ihn zu einem verlassenen Mädchen im Vorschulalter führt. Es ist die Doppel – Waise Johanna (Helena Zengel), die deutscher Herkunft ist, aber vom Kiowa-Stamm aufgezogen wurde und zu ihrer leiblichen Tante und ihrem Onkel auf deren Farm in die Nähe zu San Antonio gebracht werden soll.

Als Kidd nicht in der Lage ist, das Kind bei den Truppen der Nordstaaten abzuladen, fasst er den Entschluss, das Kind selbst mitzunehmen. „Ein kleines Mädchen ist verloren. Sie muss nach Hause“, ist vielleicht der beste Tom-Hanks-Dialog seit langer Zeit.


©Universal Pictures

Moderne Erzählung eines Amerikas, dass sich neu erfinden muss, im Gewand eines Western

So beginnt eine Odyssee des seltsamen Paares, bei der Kidd versucht, während der tausend Meilen langen Reise eine Bindung zu Johanna aufzubauen. Greengrass und Co-Autor Luke Davies (Lion) machen es weder Kidd noch sich selbst leicht, indem sie die Sprachbarriere unüberwindbar gestalten.

Eine Gastwirtin (Elizabeth Marvel) spricht Kiowa und entlockt Johanna ein wenig von ihrer Vorgeschichte. Da ihre deutschen Einwanderereltern von den Kiowa getötet wurden und ihre neue indianische Familie von Soldaten umgebracht wurde, ist sie „ein doppeltes Waisenkind“. Was folgt, sind charmante, wenn auch vertraute Szenen, als Kidd versucht, Johanna zu „zivilisieren“ (ein Kleid zu tragen, mit Besteck zu essen, ihr Englisch beizubringen), während Johanna ihm Lieder beibringt und sich ihm langsam öffnet.

So sehr Neues aus der Welt vom Amerika der 1870er Jahre handelt, so nahtlos fügt es sich in das 21. Jahrhundert ein. Die Vereinigten Staaten von Amerika sind in der Zeit nach dem Bürgerkrieg und Wiederaufbau eine Landschaft, in der der Rassismus Amok läuft, in der Unterschiede dämonisiert werden und der Begriff der Nachricht abgewertet wird. Diese Sichtweise taucht auf, als Kidd und Johanna auf Farley (Thomas Francis Murphy) treffen, den Anführer eines gesetzlosen Lagers von Abtrünnigen.

Mit offensichtlichen Trump’schen Parallelen besteht Farley darauf, dass Kidd eine verfälschte, selbstverherrlichende Version seiner Geschichte vorliest, die der Nachrichtenmann zwar aufmunternd, aber mit gefährlichen Folgen verzerrt. Durch die gehäuteten Büffel, die in der Landschaft herumliegen, wird die Darstellung der stolzen Jungs, die Indianer, Mexikaner und Schwarze vertrieben haben, besonders unheimlich.


Helena Zengel in Neues aus der Welt mit Tom Hanks
©Universal Pictures

Ein Western, bei dem man die Action nicht vermisst

Zwischen den modernen Parallelen spart Greengrass nicht mit klassischem Wildwest-Spektakel. Das beste Set-Piece ist eine anhaltende Katz-und-Maus-Sequenz, in der Kidd und Johanna von einem Trio gejagt werden, das Johanna für skrupellose Zwecke kaufen will, was in einer Schießerei an einem felsigen Abhang endet.

Das ist aber kein banaler Westernfilm Schusswechsel. Stattdessen geht es darum, wie schwierig es ist, jemanden tatsächlich zu erschießen, wobei Johannas Gerissenheit die kühle Logik von Kidd unterstützt.

Weitere „Actioneinlagen“ sind ein außer Kontrolle geratener Wagen und die modernste aller Naturkatastrophen: die schlecht animierte Staubwolke – um Greengrass gegenüber fair zu sein, er stellt Kidd, fast als abstrakte Animation dar.

Zengel, die in dem exzellenten Drama Systemsprenger den Durchbruch schaffte, übertreibt es nicht mit der wilden Kind-Routine, sondern verleiht Johanna fast ausschließlich durch ihre Mimik eine gewisse Härte, gepaart mit einer gewissen Verletzlichkeit.


Tom Hanks in Neues aus der Welt
©Universal Pictures

Fazit: Ohne ein Fünkchen Sentimentalität spielt Hanks einen Mann, der wegen des Krieges fünf Jahre lang von seiner Frau getrennt war und versucht, die Schrecken, die er gesehen hat, zu verarbeiten. Das ganze mit Würde und Mitgefühl, aber durchaus in einer düsteren, gequälten Tonlage, als wir es bisher von ihm gewohnt sind. Dazu bietet eine Schlusssequenz einen, auch wenn in einem Samthandschuh verpackt, emotionalen Tiefschlag,

Neues aus der Welt ist erzählerisch unscheinbar, aber es ist ein großartiges Schaulaufen für zwei Schauspieler an völlig unterschiedlichen Enden ihrer Karrieren und eine leise, emotionale Botschaft über zwei gebrochene Seelen, die lernen, zu heilen.

Wertung: 7 / 10

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